Die Geschichte

Wie alles begann

Noch in den achtziger Jahren wurde bei mancher Visite im Krankenhaus das Zimmer eines Sterbenden nicht mehr betreten. Auch Sätze wie: „Sie sind austherapiert“ oder „Wir können nichts mehr für Sie tun“ gehörten zum üblichen Sprachgebrauch. Genauso belastend wie solche Aussagen, sind aber die immer noch oft vorhandene Wortlosigkeit von Betroffenen, Angehörigen und Freunden im Umgang mit schwerer Krankheit und Tod.

Erst der Einsatz von zwei großartigen Frauen hat für ein Umdenken gesorgt und bildet den Grundstein der modernen Hospizbewegung.

Cicely Saunders war eine englische Ärztin, Krankenschwester und Sozialarbeiterin. Sie gründete 1967 das erste moderne Hospiz, das St. Christopher’s Hospice in London. Neben ihrer persönlichen Fürsorge für Sterbende engagierte sie sich für eine optimale Schmerztherapie. Die heutige Palliativmedizin geht auf ihre Arbeit zurück. Ihr wichtigster Leitsatz ist zeitlos gültig: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“

Elisabeth Kübler-Ross wurde 1926 in der Schweiz geboren. Sie arbeitete in den USA als Psychiaterin und anders als die meisten ihrer Kollegen wandte sie sich von Sterbenden nicht ab, sondern ihnen zu. Sie führte zahllose Gespräche mit Sterbenden, um deren Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen. Mit ihrer Forschung gab sie wichtige Impulse zum Umgang mit sterbenden und trauernden Menschen.

Diese neue Haltung im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer erreichte Anfang der 1980er Jahre, ausgehend von England und den USA, auch Deutschland. Das Bewusstsein wuchs, dass es nicht reicht, die Krankheitssymptome chronisch Kranker und Sterbender zu behandeln, sondern der Blick auf den ganzen Menschen in seiner Not und mit all seinen Bedürfnissen zu richten ist.

In dieser Zeit verbündete sich am Leonberger Krankenhaus eine Gruppe engagierter Menschen unter der Federführung des damaligen Krankenhausseelsorgers Pfarrer Walter Strohal, um die Not chronisch Kranker und Sterbender zu lindern.

Wollen Sie wissen, wie aus dieser kleinen Keimzelle das heutige große Hospiz wurde? Mit seinem eigenen Gebäude, der Bettenstation, den ambulanten Diensten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, der vielfältigen Trauerbegleitung, der Öffentlichkeitsarbeit mit einem großen Angebot an Information und Veranstaltungen? Wollen Sie die Menschen kennenlernen, die hinter all Diesem stehen? Dann lesen Sie unten weiter.

Cicely Saunders

Elisabeth Kübler-Ross

Das erste Hospizgebäude

Badezimmer, …

und Küche sahen ganz schön anders aus als heute.

Eingangsbereich

Toiletten, …

Viel zu tun gab und gibt es immer – auch …

Aufnahme

Waschküche …

für Claudia Schumacher, bis heute Teil der Hospizfamilie.

Die Erfolgs-Geschichte des Hospiz Leonberg e. V.

Der erste kleine Schritt war 1982 die Gründung des Vereins „Mit der Krankheit leben“, der zunächst die finanziellen Möglichkeiten schuf, Tumorpatientinnen in ihrem Krankheitsgeschehen durch eine Fachkraft psychosozial zu begleiten. Die Gründung erfolgte auf Initiative des evangelischen Krankenhauspfarrers Walter Strohal (später Dekan in Ditzingen und Oberkirchenrat). Parallel dazu bot Pfarrer Strohal Seminare für das Pflegepersonal zum Umgang mit Sterbenden an und bereitete auch den Schwesternnachwuchs in der Krankenpflegeschule des Leonberger Krankenhauses auf diese Aufgabe vor.

v. li.: Dieter Burr, Pfarrer Walter Strohal, Pastoralreferent Albert Rau 2019

1987 entwickelte der Verein unter Strohals Führung ein erstes konkretes Konzept für ein Hospiz mit fünf bis sechs Betten in Leonberg. Mit der Aufstellung des Kostenbedarfs für eine derartige Einrichtung war Norbert Helmes betraut worden, Finanzdirektor des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Deutschland und Ehemann von Margarete Helmes, die später zum Motor des Hospizes werden sollte.

v. li.: Pfarrer Rudolf Hermes, Margarete Helmes, Albert Rau

Die Stadt Leonberg war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit, dieses Projekt unterstützen zu wollen – aber das sollte sich ändern und hing mit dem starken Willen und der Überzeugungskraft von Margarete Helmes zusammen. 1988 setzte diese nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns die gemeinsam begonnene Arbeit fort und wurde 1991 Nachfolgerin von Pfarrer Strohal als Vorsitzende des Vereins.

1991 Bei einer Ausbildungsreise in die USA lernte Margarete Helmes die amerikanische Hospizarbeit kennen, bei der ambulante Fürsorge und ehrenamtliches Engagement eine große Rolle spielen. Zurück in der Heimat berichtet sie bei Veranstaltungen über ihre Erfahrungen und ihre neu gewonnene Überzeugung, dass dem geplanten stationären Haus der Aufbau einer ambulanten Versorgung vorausgehen müsse. Die Resonanz und die Bereitschaft zur Mitarbeit waren riesig! Von Pfarrer Strohal haben Pfarrer Hermes und Pastoralreferent Rau die Durchführung der Sterbeseminare für die künftigen ehrenamtlichen Begleiter übernommen, die Ausbildung für den ambulanten Hospizdienst das Ehepaar Marta und Enno Fischer.

1993 beginnen die ersten Schulungen und 1994 nimmt der ambulante Hospizdienst seine Tätigkeit auf. Mit der Präsenz des ambulanten Hospizdienstes in der Gesellschaft wurde auch die Bedeutung eines stationären Hospizes immer klarer. Margarete Helmes nutzte ihre Verbindungen als Kreis- und Gemeinderätin, um auf allen Ebenen für das Projekt eines stationären Hospizes zu werben. Der Durchbruch gelang mit der Bereitschaft der Samariterstiftung, dem Verein ein leerstehendes, zum Abbruch vorgesehenes Gebäude auf Zeit zu überlassen.

Mit Sach- und Geldspenden und ganz viel ehrenamtlicher Arbeit wurde der künftige Stationsbereich renoviert und mit gebrauchten Möbeln eingerichtet. Hilfreich war, dass es in Baden-Württemberg bis dahin nur ein weiteres Hospiz gab, sodass Krankenkassen und Behörden noch keine Richtlinien für das Betreiben eines Hospizes erlassen hatten. Die Fotos auf dieser Seite lassen erahnen, wieviel da noch improvisiert werden konnte und musste.

Margarete Helmes

1999 nimmt das Hospiz mit sechs Betten seine Arbeit auf. Von Anfang an und bis heute übernimmt Dr. Dietmar Epple als ausgebildeter Palliativmediziner die medizinische Betreuung, die nicht Lebensverlängerung, sondern das Lindern der vielfältigen Beschwerden und eine konsequente Schmerztherapie zum Ziel hat.

Ergänzende Therapien mit Musik, Kunst, Massagen, unserem Therapiehund und die Erfüllung vieler individueller Wünsche machen die letzten Tage und Wochen unserer Gäste wertvoll.

Dr. Dietmar Epple

2000 treten Kristin Kuhl als Stellvertreterin von Margarete Helmes und Dr. Wolfgang Kreutzer, zuständig für Finanzen, in den Vereinsvorstand ein. Auch der Vereinsname wird an die neuen Aufgaben angepasst: „Förderverein Hospiz – Mit der Krankheit leben“.

2005 übernimmt Kristin Kuhl die Nachfolge von Margarete Helmes und treibt die Planung eines eigenen Gebäudes weiter voran. Damit steigt der künftige Finanzbedarf in ganz andere Regionen. Darauf wird frühzeitig und weitsichtig reagiert.

2001 wird die Stiftung Leonberger Hospiz gegründet, als finanzieller Rückhalt des allein vom Förderverein getragenen und verantworteten Hospizes. Damit ist eine langfristige finanzielle Absicherung der Hospizarbeit gewährleistet – und es entsteht die Möglichkeit für notwendige große Investitionen.

Kristin Kuhl

2006 wird der ambulante Hospizdienst erstmals um die Betreuung eines Kindes mit Hirntumor gebeten. Monika Friedrich übernimmt diese Aufgabe, bildet sich dafür speziell weiter, organisiert die Ausbildung weiterer Ehrenamtlicher und leitet seither als Koordinatorin unseren eigenen ambulanten Hospizdienst für Kinder und Jugendliche.

Monika Friedrich

2010 beginnt für das Hospiz eine anderthalbjährige Übergangsphase. Das alte, für den Abriss bestimmte Gebäude steht für die Weiternutzung nicht länger zur Verfügung. Der Neubau wird dringend.

Die Samariterstiftung hilft noch einmal mit einem zeitlich begrenzten Provisorium aus, direkt neben dem für den eigenen Neubau vorgesehenen Platz.

2012 Der Neubau kann bezogen werden! Acht ebenerdige helle Einzelzimmer mit eigener Nasszelle und Außenterrasse sowie ein großer Gemeinschaftsraum für die gemeinsamen Mahlzeiten und andere Aktivitäten stehen zur Verfügung. Im ersten Stock befinden sich die Räume für die Verwaltung sowie ein Angehörigenzimmer. Die Flachdachkonstruktion ist bereits vorausschauend für eine eventuell erforderliche Aufstockung vorbereitet.

Und tatsächlich steigt der Raumbedarf. Das Kinderhospiz muss in Rutesheim ausgelagert arbeiten und die immer bedeutender werdende Trauerbegleitung entwickelt sich ab 2017 zu einem eigenständigen Bereich mit ständig wachsender Nachfrage. Auch die vom Arbeitsrecht inzwischen geforderten Räume für Mitarbeiterinnen können in den bestehenden Räumen nicht mehr realisiert werden.

Februar 2011: Grundsteinlegung für das Hospizgebäude in der Seestraße

Die stolze Bauherrin Kristin Kuhl

2019 Kristin Kuhl übergibt den Vorsitz des Hospizvereins an ihren Nachfolger Dieter Burr. Der neue Vorstand übernimmt ein gut bestelltes Haus! Auf dieser Basis erarbeitet er ein Leitbild für das Hospiz, das in seinen Inhalten unausgesprochen schon bisher Grundlage der Arbeit war. Der Generationswechsel bei den Mitarbeiterinnen und die gesellschaftlichen Veränderungen machen es aber notwendig, unsere Haltung transparent zu machen und sich ihrer immer wieder zu versichern.

2020-2022 Auch während der Coronapandemie ist der stationäre Bereich immer für Gäste offen. Der große Einsatz der Mitarbeiterinnen ermöglicht dies. Im ambulanten Dienst und bei der Öffentlichkeitsarbeit sind persönliche Kontakte leider zeitweise nicht möglich. Gemeinsame Spaziergänge und neue Medien helfen, dies zu überbrücken.

v. re.: Prof. Giovanni Maio, Leonbergs OB Martin Georg Cohn, Landrat Roland Bernhard und Dieter Burr beim Hospizjubiläum 2019

Der Vorstand nutzt die Zeit, um in einer Zukunftswerkstatt den Blick nach vorne zu richten: auf die Veränderung des Gesundheitssystems, die Alterung der Gesellschaft und die Vereinsamung vieler Menschen und darauf, was das für die langfristige Ausrichtung des Hospizes bedeutet. Der ambulante Bereich wird wachsen müssen, sowohl in der Begleitung Sterbender als auch in der Begleitung der Trauernden. Die erforderlichen Räume sollen durch eine Aufstockung geschaffen werden.

2023 Die Bettenstation zieht für fünf Monate in das Leonberger Krankenhaus, um Gästen und Mitarbeiterinnen Schmutz und Baulärm zu ersparen. In dieser Zeit wird unter hohem Kosten- und Zeitdruck von allen beteiligten Firmen Großes geleistet. Und tatsächlich: Das Haus kann bereits Ende Mai wieder bezogen werden.

Das Hospizgebäude nach der Aufstockung 2023

Solche Kraftakte sind nur möglich mit einem Team wie unserem! Zweimal in fünf Monaten mit einer kompletten Krankenstation umziehen, sich in anderen Räumlichkeiten andere Arbeitsabläufe schaffen, bei der Rückkehr den letzten Handwerkern hinterherarbeiten, die neue Haustechnik verstehen und vieles mehr. Da mussten alle, die Ehrenamtlichen, die Hauptamtlichen und der Vorstand über ihre Grenzen gehen.

Die Geschichte des Hospiz Leonberg zeigt aber, dass von Anfang an jedes Mal, wenn das Hospiz vor neuen Herausforderungen stand, Menschen bereit waren, für dieses Hospiz alles zu geben.

Unser hauptamtliches Team im Jahr 2022